Wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in, ist das was für mich?

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Am 30. September 2022 absolvierte Michael Jaworski seine Promotionsprüfung und blickt nun zurück auf 7 prägende Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme. Aus dieser Perspektive gibt es sicherlich so manches zu berichten, das anderen, die darüber nachdenken diesen Weg ebenfalls einzuschlagen, als Orientierung dient. Anstelle eines nach klassischem Stil ausformulierten chronologischen Rückblicks über die lehrreichsten Erfahrungen aus dieser Zeit schildert Herr Jaworski seine Erkenntnisse anhand eines fiktiven Dialogs zwischen ihm und seinem 7 Jahre jüngeren Ich aus der Vergangenheit, welches sich damals im Jahr 2015 die im Titel stehende Frage – Wissenschaftlicher Mitarbeiter, ist das was für mich? – stellte.

MJ 2015:      Zunächst würde mich interessieren, was denn die wichtigsten Elemente sind, die ich für diese Stelle am Lehrstuhl mitbringen muss? Bereits ein großes Repertoire an fachlichem Vorwissen nehme ich an?

MJ 2022:      Vorwissen schadet zwar nicht, aber mir fallen direkt 3 Dinge ein, die noch deutlich wichtiger sind:

  • Begeisterung: Die Begeisterung für dein Forschungsgebiet ist das wesentlichste, was du brauchst. Sie ist die Quelle deiner Motivation und der Antrieb, der dich durch jeden Tag auf diesem langen Weg trägt.
  • Selbstorganisation: Kernziel der Ausbildung am Lehrstuhl ist es die Fähigkeit zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten zu erlernen bzw. diese auszubauen. Stell dich also darauf ein, dass dir bzgl. deiner Forschung keiner vorschreibt, was du zu tun hast, sondern du den Großteil deiner Aufgaben und Arbeitsschritte selbst planen wirst.
  • Keine Angst davor Fehler zu machen: Forschung ist immer ein Vorstoß ins Unbekannte mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für Fehlentscheidungen. Hab den Mut diese Fehler zu machen, um daraus zu lernen. Aber denk im Labor trotz allen Mutes bitte zweimal darüber nach, bevor du zuschaltest…

MJ 2015:      Du sagtest, dass ich meine Aufgaben selbst planen müsse. Aber woher weiß ich denn, was zu tun ist?

MJ 2022:      Indem du dir dein persönliches Ziel definierst, das du in deiner Zeit am Lehrstuhl erreichen möchtest. Zum Beispiel: Ich möchte die aktuellen Probleme im Themengebiet X analysieren und für sie 1 bis n Lösungsansätze entwickeln, die ich dann simulationsbasiert und/oder experimentell auf die Probe stellen werde. Du brauchst so ein Ziel auf dieser langen Reise, die du hier antrittst, um immer wieder bewerten zu können, ob du noch auf dem richtigen Weg, oder davon abgekommen bist. Das soll nicht heißen, dass du nicht auch mal einen Umweg gehen kannst, jedoch ist die Gefahr sich zu verlaufen oder thematisch zu verirren recht groß.

MJ 2015:      Wie sieht so etwas konkret aus? Definiere ich als Ziel einfach, dass ich zunächst ein paar Jahre forsche, danach alles zusammenschreibe und das wars?

MJ 2022:      Konkret würde ich dir empfehlen nach deiner Einarbeitungs- und Orientierungsphase einen Zeitplan zu erstellen, welcher für die geplanten Lehrstuhljahre bzw. Monate aufschlüsselt welche Arbeitsschritte zur Erreichung deines Ziels nötig sind. Dabei solltest du dir von vorneherein darüber im Klaren sein, dass dieser Plan falsch sein wird. Du wirst nämlich mit jeder Woche die vergeht zusätzliche Erkenntnisse in deinem Fachbereich sammeln und neue Entdeckungen machen, woraufhin Korrekturen und Anpassungen deines Planes nötig sind. D.h. du musst deinen Plan als ein sich dynamisch entwickelndes Konstrukt betrachten, welches nicht nur den Charakter einer zeitlich bezogenen ToDo-Liste repräsentiert, sondern dir vielmehr ein Spiegelbild deiner Strategieplanung zum Erreichen deines Ziels vor Augen hält und dich damit regelmäßig (vielleicht jeden Monat 2 h) dazu zwingt, deinen gegenwärtigen Kurs zu checken und den Plan an die neu hinzugewonnenen Erkenntnisse anzupassen.

MJ 2015:      Ok, wenn ich also meinen Plan habe und ihn regelmäßig aktualisiere, muss ich einfach die darin enthaltenen Arbeitspakete abarbeiten und gelange damit auf direktem Wege zu meinem Ziel. Oder?

MJ 2022:      Die Richtung stimmt, aber ganz so einfach ist es nicht. Du stehst nämlich zudem vor der Herausforderung einen Balanceakt in 3 Disziplinen zu meistern, bei denen du immer wieder zwischen zwei gegensätzlichen Polen dein persönliches Gleichgewicht finden musst:

  • Sich nicht verlieren – Thematische Freiheit ausleben

Wie bereits erwähnt wirst du die große Freiheit genießen, die Facetten deiner wissenschaftlichen Ausrichtung selbst zu gestalten und kannst dabei jedem Aspekt nachgehen, der dir interessant erscheint. Folge deiner Neugier, denn sie ist der Antrieb deiner Forschung, aber achte darauf dich dabei nicht zu verlaufen. Geh nicht den geradlinigen Weg bereits ausgetretener Pfade, sondern achte darauf, dass die erkenntnisreiche Zick-Zack-Bewegung durch dein Forschungsgebiet in Richtung deines Ziels und nicht im Kreise führt.

  • Aufopferung – Selbstverwirklichung

Die erwähnte thematische Freiheit gibt Anlass zur Selbstverwirklichung, in der du dein persönlich gesetztes Forschungsziel anstreben kannst. Das hat seinen Preis. Es wird viele Tage geben, an denen du nicht einfach mit dem Verlassen des Büros den geistigen Schalter in den Freizeitmodus umlegen kannst, sondern weiter an Lösungen grübelst oder über Ideen nachdenkst. In den meisten Fällen jedoch nicht, weil du dies aufgrund terminlicher Gründe musst, sondern weil es gut möglich ist, dass du über die Zeit hinweg eine gewisse Leidenschaft für deine Forschung entwickelst.

  • Fachliche Verantwortung für Studierende – Personalführung im Sandbox-Mode

Während deiner Zeit am Lehrstuhl wirst du auch so manche studentische Abschlussarbeit betreuen. Das Thema und die geplanten Inhalte der Arbeit wirst du selbst vor deren Ausschreibung festlegen. Dabei übernimmst du auch ein Stück weit Verantwortung dafür, dass bei dem erdachten Thema etwas Sinnvolles dabei herauskommt, wie ein funktionierendes Verfahren oder eine beweisbare Theorie. Dies lässt sich absichern, indem du dich mit der Aufgabenstellung nicht zu weit aus dem Fenster lehnst und sich die Arbeit thematisch sehr nahe entlang bereits etablierter Theorien bewegt. Der Gegenpol dazu besteht darin den Grundstein einer solchen Arbeit auf Basis einer revolutionären und ggf. unausgereiften Idee zu legen und damit ein gewisses Risiko einzugehen, dass sich die Idee als Flop entpuppt. Das gilt natürlich nicht nur für die Abschlussarbeiten von Studierenden, sondern ebenso für die eigene Arbeitsplanung.

MJ 2015:      Danke, für die Ratschläge und Eindrücke. Das klingt für mich nach einer spannenden Zeit und ich denke, dass ich‘s mal versuchen werde und mich bei den Stellenausschreibungen des LEES umsehen werde.