Systemstabilität
Systemstabilität
Ein stabiler Netzbetrieb ist die grundlegende Voraussetzung zum Erhalt der Versorgungssicherheit in elektrischen Energieversorgungssystemen. Mit der Energiewende und der zunehmenden Integration dezentraler Erzeuger wächst jedoch die Komplexität, Systemstabilität langfristig sicherzustellen. Dabei ist Stabilität ein komplexer Begriff, der verschiedene physikalische Aspekte des Netzverhaltens umfasst. Klassisch wird zwischen Spannungsstabilität, Frequenzstabilität und Polradstabilität unterschieden. Mit der zunehmenden Integration leistungselektronischer Komponenten und dezentraler Erzeuger in modernen Stromnetzen erweitern sich die klassischen Stabilitätsbetrachtungen um neue Phänomene. Hierzu zählen Wechselwirkungen leistungselektronischer Erzeuger (converter-driven stability), welche durch die Regelung von Stromrichtern entstehen und zu ungewollten Schwingungen oder Abschaltungen führen können. Des Weiteren können harmonische Ausgleichsvorgänge (harmonic stability) auftreten durch die Ausbreitung und Überlagerung von Oberschwingungen, die vor allem durch leistungselektronische Betriebsmittel verursacht werden.
Die Stabilität eines Stromsystems muss dabei stets im Kontext von Störungen betrachtet werden, sei es durch Netzfehler, Lastsprünge oder Änderungen in der Erzeugung. Der Begriff Power Quality (im deutschen oft nur Spannungsqualität) ergänzt die Systemstabilität als weiteres zentrales Qualitätsmerkmal in der elektrischen Energieversorgung. Power Quality beschreibt die Abweichung von Sollwerten bei Spannung, Frequenz und Strom im quasistationären Betrieb. Sie fungiert somit als Gütefaktor oder Qualitätskriterium. Während eine hohe Power Quality das reibungslose Funktionieren von elektrischen Geräten und Anlagen sicherstellt, hat eine unzureichende Power Quality direkten Einfluss auf die Stabilität des Systems. Beispielsweise können Spannungseinbrüche, Oberschwingungen oder Flicker die systemischen Limitierungen einzelner Netzabschnitte überschreiten und zu größeren Problemen mit der Systemstabilität führen. So können Oberschwingungen beispielsweise die Regelkreise leistungselektronischer Betriebsmittel stören, was zu Instabilitäten und ungeplanten Abschaltungen führen kann.
Automatisierte Systemführung
Die Entwicklung automatisierter Systemführungsprozesse gerät aufgrund der sich ändernden Erzeugungslandschaft und der Integration leistungsflusssteuernder Aktoren vermehrt in den Fokus. Zu den betrachteten Aktoren gehören sowohl leistungselektronische Stellglieder (HGÜ, FACTS, Grid Booster) als auch der Netzschutz. Durch die aktive und systemdienliche Regelung derzeit rein passiv betriebener Aktoren, werden neuartige Betriebsführungsprozesse ermöglicht und können den klassischen Konzepten gegenübergestellt werden.
Vor dieser Problemstellung verfolgt der LEES den Ansatz die Stabilität des Netzes zu bewerten und durch präventive und kurative Systemeingriffe zu verbessern. Neu entwickelte Regelungskonzepte und Systemautomatiken sollen Eingriffe in Echtzeit ermöglichen und die dabei die zeitlichen Restriktionen im operativen Betrieb optimieren. Als Werkzeuge stehen hierbei klassische offline Berechnungsverfahren für die stationäre und dynamische Netzsicherheitsrechnung zur Verfügung. Neu entwickelte Prozesse zur stationären und dynamischen Netzsicherheitsrechnung, Regelungen und Betriebsführungskonzepte können hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit mittels digitalen Zwillingen und Hardware-in-the-Loop im Echtzeitsimulationslabor erprobt und verifiziert werden.
Flexibilitäten und Systemdienstleistungen
Das Energiesystem der Zukunft wird sehr stark von dezentraler Erzeugung und Sektorenkopplung geprägt sein. Da die regenerativen Erzeugungsanlagen aufgrund ihrer geringen gesicherten Leistung konventionelle Kraftwerke nicht 1:1 ersetzen können, werden innovative Betriebsmittel und -konzepte zur Wahrung der Systemstabilität benötigt. Im Fokus stehen hier vor allem flexible Betriebsmittel wie Batteriespeicher und sektorengekoppelte Betriebsmittel wie mobile Speicher und wasserstoffbasierte Anlagen, die in das Gesamtsystem integriert werden müssen. Um die aufkommenden bidirektionalen Leistungsflüsse bewältigen und die Stabilität der verschiedenen Netzebenen trotz fluktuierender, dezentraler Einspeisung gewährleisten zu können, werden innovative Lösungen sowohl auf Systemebene, als auch im Bereich Netzregelung und IKT benötigt.
Am LEES werden hierbei Forschungsthemen im Bereich hybrider Kraftwerke, Mikronetze, sowie netzdienlicher und neuartiger Regelungen für das Energie- und Anlagenmanagement der Zukunft verfolgt. Diese werden mit Hilfe von Offline- und Echtzeitsimulationen entwickelt und anschließend an echten Betriebsmitteln getestet. Hierzu wurde das flexible Niederspannungslabor in Nürnberg aufgebaut. Dort ist ein hybrides Mikronetz mit PV-Anlagen, Speichern und Testlasten realisiert, an denen die entwickelten Konzepte im Rahmen von Hardware-in-the-Loop Versuchen im realen Betrieb validiert werden.
Netzdynamik
Aufgrund der Substitution konventioneller Kraftwerke durch umrichterbasierte Erzeugungsanlagen und die steigende Anzahl aktiver Betriebsmittel verändert sich die Netzdynamik grundlegend. Vor dem Hintergrund sinkender Momentanreserve und einer angestrebten Höherauslastungen des Übertragungsnetzes erfordert dies eine umfangreiche Analyse des Systemverhaltens.
Am LEES wird daher an der Modellierung, Simulation und Bewertung von Netzmodellen im deutschen und europäischen Kontext gearbeitet. Für die Modellierung von Netz- und Betriebsmittelmodellen kommen kommerziellen Softwaretools wie DIgSILENT PowerFactory, PSS Netomac oder PSCAD zum Einsatz. Darüber hinaus werden neue Ansätze verfolgt kritische Systemzustände zu identifizieren und hinsichtlich verschiedener Stabilitätsaspekte zu bewerten.
Auf dem Gebiet arbeitende Mitarbeiter: