Echtzeitlabor / Real Time Simulation Laboratory
Aufgrund der Größe der zu untersuchenden Anlagen sind in der elektrischen Energieversorgung Labor- und Felduntersuchungen nur eingeschränkt möglich. Ein experimenteller Eingriff in das Stromnetz ist aufgrund der Versorgungssicherheit nicht möglich. Vor diesem Hintergrund kann das Hilfsmittel der Echtzeitsimulation dienen. Dabei werden reale Geräte und Betriebsmittel mit einem virtuellen, simulierten Netz über Umsetzer, Messeinrichtungen und Verstärker zusammengebracht. Die Interaktion dieser Geräte und Betriebsmittel mit dem Energienetz kann dann gefahrlos untersucht werden.
Das Echtzeitlabor bietet alle dafür notwendigen Techniken an. Simulationssysteme können dabei die Rolle des Energienetzes annehmen oder auch ein Betriebsmittel in seinem Aufbau und seinen physikalischen Eigenschaften nachbilden. Ein- und Ausgänge der zu testenden Geräte können sowohl über viele der in der energietechnischen Praxis relevanten Netzwerkprotokolle als auch über direkte Versorgung durch analoge Verstärker und Messeinrichtungen bespielt werden. Für die Geräte selbst steht die Versorgung mit elektrischer Energie sowie Netzwerkanschlüsse zur Verfügung.
Die Echtzeitsimulation dient insofern als innovatives Werkzeug, um auf dem Gebiet der elektrischen Energieversorgung eine hochqualifizierte, praxisnahe und nachhaltige Forschung betreiben zu können.
For English information, please visit: https://www.rtds.com/friedrich-alexander-university/
Aufbau des Echtzeitlabors
- RTDS NovaCor Simulator zur Modellierung umfangreicher Netze und Anbindung von Replika
- OPAL-RT Simulator zur Entwicklung von Regelungen, Netzmodellierung und Ansteuerung von Replika
- Speedgoat Real-Time-Target zur Entwicklung von Regelungen und Ansteuerung von Replika
- Aurora LWL Schnittstelle zum Spitzenberger und Spies Linearverstärker für Power Hardware in the Loop Untersuchungen (im SrPP und ENGiNe Labor)
- Aurora LWL Schnittstelle zum Triphase Verstärker für Power Hardware in the Loop Untersuchungen (im SrPP und ENGiNe Labor)
- Omicron Messverstärker zur Anbindung von Regelungsreplika und Schutz
- Umfangreiche Protokolle sowie Ein– und Ausgangskarten
- CHIL-Racks mit verschiedenen Schutzgeräten und Regler zum Einsatz in HIL Simulationen
Ausstattung des Echtzeitlabors
Kernkomponente des Labors bildet der Digitale Echtzeitsimulator (RTDS), der auf der Multicore-Verarbeitungsplattform NovaCor basiert und die Simulation komplexerer Netze in Echtzeit ermöglicht. Der installierte Simulator verfügt über beeindruckende E/A-Funktionen für den Anschluss realer Geräte. Mit mehr als 500 Kanälen für analoge und digitale Ein- und Ausgänge kann das Forschungsteam des LEES umfangreiche externe Schutz-, Steuer- oder Leistungsgeräte an das simulierte Netz anschließen. Leistungsverstärker von Omicron die ebenfalls zum Labor gehören, ermöglichen den Anschluss von Geräten der Sekundärtechnik für Hardware in the Loop Untersuchungen. Über das Aurora LWL Protokoll besteht eine Verbindung zu Leistunsgumrichtern von TriphaseNV sowie Spitzenberger & Spies für Power Hardware in the Loop Untersuchungen im ENGiNe und SrPP Labor. Umfangreiche Protokolle (z.B. IEC 61850), sowie ein leistungsstarker Satz von 12 GTFPGA-Einheiten runden den Simulator ab. Diese GTFPGA-Einheiten können besonders rechenintensive Komponenten oder Teilnetze simulieren und erlauben die Simulation leistungselektronischer Komponenten im ns Bereich.
Ein leistungsstarker Digtaler Echtzeitsimulator von OPAL-RT erweitert das Labor um zusätzliche Funktionalitäten, insbesondere im Bereich der Regelungswentwicklung und der Echtzeitsimulation im Bereich Elektromechanischer Transienter. Die Simulatoren von OPAL-RT und RTDS-Technologies lassen sich durch eigens am LEES entwickelten Echtzeit Co-Simulationsinterfaces koppeln, um so die Rechenleistung und Flexibilität des Labors zu erhöhen. Zusätzlich lassen sich auf einem Echtzeitsimulator von Speedgoat detaillierte Regelungen direkt in Simulink implementieren und in die Simulationen am RTDS integrieren. Alternativ können diese Regelungen das Verhalten der Leistungsumrichter von Triphase NV und Spitzenberger&Spies steuern, so dass die Leistungsumrichter beliebige Regeenerative Erzeuger oder Lasten emulieren können.
Bis zu sechs Schutzgeräte von Siemens, Alstom und Schneider können in die Simulationen integriert werden. Die Siprotec 5 Universalschutzgeräte von Siemens bieten hierbei eine hohe Flexibilität für verschiedene Anwendungen.
Bild: Wissenschaftler des Lehrstuhls arbeiten an den CHIL-Racks. Im Hintergrund sind die Simulatoren von RTDS Technologies zu sehen.
Forschungskonzept und -inhalte
Die immer komplexeren Systeme der elektrischen Energieversorgung, wie beispielsweise intelligente und lernfähige Stromnetze, lassen sich mit reinen Software-Simulationen nicht ausreichend untersuchen. Die Software-Simulation greift auch aus wissenschaftlicher Sicht zu kurz, da qualifizierte Aussagen hinsichtlich der Realisierbarkeit komplexer Strukturen hierdurch nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Des Weiteren sind Simulationsergebnisse oft angreifbar, da in Simulationsprogrammen physikalische Grenzen leicht umgangen werden können und/oder wesentliche Methoden nicht berücksichtigt werden. Hierzu gehören beispielsweise die Kühlung und der Schutz von Komponenten, das Schaltungslayout, die Berücksichtigung parasitärer Effekte, die Eigenbedarfsversorgung sowie Verlustmechanismen und Wirkungsgrade.
Im Bereich der elektrischen Energieversorgung sind aufgrund der Größe und Komplexität der zu untersuchenden Systeme und Betriebsmittel reine hardwarebasierende Untersuchungen oftmals nicht möglich. Zusätzlich ist aus Gründen der Versorgungssicherheit ein direkter Eingriff in das in Betrieb befindliche Energieversorgungssystem nicht möglich. Echtzeitsimulatoren bieten hier die Möglichkeit, in einer simulierten Umgebung reale Betriebsmittel, Inselnetze, Regelungssysteme, usw. wissenschaftlich fundiert zu untersuchen. Damit eröffnet der Einsatz der Echtzeitsimulation ein gänzlich neues Kapitel im Bereich der Forschung an der FAU. Die Untersuchungen des Lehrstuhls umfassen alle Spannungsebenen.
Das Laborkonzept eröffnet ein breites Spektrum für Untersuchungen im Bereich der Echtzeitsimulation:
- Netzkonformitätsstest von Regelungen und Regelungsreplika, z.B. für Microgrids, Speichersysteme, HGÜ, und FACTS
- Entwicklung und Umsetzung Digitaler Zwillinge
- Adaptiv- und KI-Schutz
- Echtzeit Co-Simulation
- Stabilitätsuntersuchungen, insbesondere „Converter Driven Stability“ und „Resonance Stability“
- Regelungstechnische Untersuchungen, insbesondere netzbildende Regelungen
- Resiliente Energiesysteme (Inselnetze, Netzwiederaufbau)
- Netzintegration Erneuerbarer Energien, Elektromobilität und innovativer Betriebsmittel
- Echtzeitsystemführung
- Einsatz in der Lehre, beispielsweise im Rahmen Studentischer Abschlussarbeiten oder in Praktika
Bild: Wissenschaftler des Lehrstuhls prüfen mit Kollegen der Siemens AG und von RTDS Technologies Inc. Schutzgeräte am RTDS.